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Die Auswirkungen der Französischen Revolution haben das Rheinland früher erreicht und nachhaltiger geprägt als andere Teile Deutschlands und Europas. Seit dem Herbst des Jahres 1794 bildete der Rhein faktisch die Grenze zwischen dem französisch besetzten linken Rheinufer und dem übrigen Deutschland. Bis 1797 hatte man allerdings in Paris noch keine klare Vorstellung davon, was mit diesem eroberten Gebiet geschehen sollte. Es blieb bei einem militärischen Besatzungsregime, dessen primäres Ziel die Ausplünderung des Landes war.
Nachdem Frankreich im Frühjahr/Sommer 1797 vorübergehend beabsichtigte, auf dem linken Rheinufer eine formell selbständige “Cisrhenanische Republik“ zu errichten, brachte der am 17. Oktober 1797 zwischen dem deutschen Kaiser und Frankreich geschlossene Friede von Campo Formio eine Wende: In der „Cisrhenanischen Republik" sollten die revolutionären Errungenschaften im rheinischen Gebiet durchgesetzt werden. In Geheimartikeln des Friedensvertrages von Campo Formio erkannte aber der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, Franz II., die Rheingrenze und die Abtretung der linksrheinischen Gebiete an Frankreich an. Damit erübrigte sich für Frankreich die Idee eines rheinischen „Pufferstaates" und ergab sich die Integration der rheinischen Gebiete in den französischen Staat. Anfang November 1797 begann der Elsässer Franz-Josef Rudler als neuer Regierungskommissar der Direktorialregierung mit der administrativen Umgestaltung des Landes nach französischem Vorbild. Er leitete den Angleichungsprozess, in dessen Rahmen das linksrheinische Gebiet in vier Départements eingeteilt wurde.
Im Norden das Rur-Departement (Département de la Roer) mit der Hauptstadt Aachen, das Rhein- und Mosel-Departement (Département de Rhin-et-Moselle) mit der Hauptstadt Koblenz, südwestlich das Saar-Departement (Département de la Sarre) mit der Hauptstadt Trier und das Donnersberg-Departement (Département du Mont-Tonnerre) mit der Hauptstadt Mainz. Die Departements waren untergliedert in Arrondissements, diese in Kantone und wiederum in Mairien (Bürgermeistereien). Nach und nach wurden auch alle sonstigen Gesetze und Verordnungen, wie sie in Innerfrankreich bereits galten, auf das Rheinland übertragen. Ihre völkerrechtliche Anerkennung erfuhr die Annexion des linken Rheinufers schließlich im Frieden von Lunéville am 9. Februar 1801.
Zwar blieben die leitenden Beamten auf der Ebene der Départements (Präfekten) in der Regel Franzosen, doch ergab sich auf allen nachgeordneten Ebenen auch für Deutsche eine gewisse Möglichkeit zu politischer Mitgestaltung. In erster Linie galt dies für die sog. Höchstbesteuerten, die auch als „Notable" bezeichnet wurden. Die letztlichen Entscheidungen fielen allerdings immer durch die Regierung in Paris.
Mit der französischen Besetzung des linken Rheinufers im Laufe des Jahres 1794 hielt auch die Säkularisation ihren Einzug. Nach der Einsetzung einer französischen Militärverwaltung zog diese sofort sämtliche landesherrlichen Rechte der bisher bestehenden geistlichen Staaten an sich, so etwa Gerichtsbarkeit und Feudalabgaben wie den Kirchenzehnten. Damit endete praktisch – lange vor dem Frieden von Lunéville – die Staatlichkeit dieser ehemals souveränen Territorien. Dieser Vorgang wird als Herrschaftssäkularisation bezeichnet. Ein ebensolches Schicksal ereilte neben den drei Kur-Erzbistümern Köln, Mainz und Trier auch die linksrheinischen Reichsstädte, wie Köln, oder weltliche reichsunmittelbare Herrschaften, wie Dyck, sowie preußische Gebiete, wie Kleve, bayerische, wie die Pfalz, oder auch die österreichischen Niederlande.
Darüber hinaus beteiligte die Militärverwaltung zunächst die geistlichen Einrichtungen in erheblichem Maße an den Kontributionen und requirierte auch Holz, Vieh und Lebensmittel. Zahlreiche Kirchen und Klöster dienten zeitweise als Unterkunft für Soldaten oder als Pferdeställe und Magazine. Im Rahmen der Vermögenssäkularisation wurde 1796 der geistliche Besitz der Verfügungsgewalt des Klerus entzogen und 1798 schließlich konfisziert. Bereits Anfang 1798 schaffte Frankreich die Feudalrechte, sofern sie an Personen hafteten, und die Feudallasten, die von Grund und Boden ausgingen, vollständig ab. Ausgenommen waren die Abgaben und Dienste, die durch Nachweis der ursprünglichen Dokumente als nichtfeudaler Herkunft kenntlich gemacht werden konnten, was aber nur in seltenen Fällen gelang. Da die zuvor eingezogenen Abgaben, etwa der Zehnte, zu jener Zeit dem französischen Fiskus zugutekamen, trafen diese Maßnahmen weniger die ursprünglichen Besitzer als vielmehr den französischen Staat. Die säkulare französische Gesetzgebung konnte jedoch erst nach der staatsrechtlichen Anerkennung der Annexion im Frieden von Lunéville vom 9. Februar 1801 mit der endgültigen Enteignung geistlicher Güter und deren Veräußerung vollständig umgesetzt werden.
Die geistlichen Institute wurden per Konsularbeschluss vom 9. Juni 1802 aufgehoben. Dieser Schritt war durch das Konkordat mit Papst Pius VII. vom 15. Juli 1801 bereits kirchenrechtlich abgesegnet worden. Die Mitglieder der geistlichen Institute – Konvente, Klöster und Stifte – mussten diese verlassen. Fast alle männlichen Geistlichen konnten Stellen als Pfarrer oder Hilfspfarrer finden. Der weibliche Klerus sah sich hingegen gezwungen, sich ins Privatleben zurückzuziehen. Die meisten geistlichen Damen kamen bei Familienangehörigen unter. Parallel wurden auch die Güter feindlicher weltlicher Landesherren oder von Emigranten enteignet, wobei auch dieser Vorgang zur Mediatisierung gerechnet wird. Insgesamt gelangten auf dem linken Rheinufer zwischen 1803 und 1813 über 16.500 säkularisierte oder mediatisierte Besitztümer unterschiedlichster Größe und Beschaffenheit zur Versteigerung. Hinzugerechnet werden müssen noch zahlreiche Objekte, die zu staatlichen Forsten, Dotationen oder zur außerordentlichen Krondomäne zusammengefasst worden waren. Ein Großteil von ihnen ist erst in preußischer Zeit – mit Ausnahme der großen Waldungen – veräußert worden.
Die Auswirkungen der Säkularisation waren vielfältig. Die Enteignung der Kleriker und ihre staatliche Besoldung als Quasi-Beamte ist bis heute erhalten geblieben. Mit den (wohlhabenden) Klöstern verschwanden zudem Kreditgeber, die zu moderaten Zinssätzen zum Teil große Summen verliehen, was entsprechende Auswirkungen auf die Wirtschaft hatte. Hinzu kommt eine gewaltige Besitzumschichtung. Viele ehemalige Halbwinner konnten ihr Pachtgut als freies Eigentum erwerben. Es bildeten sich aber auch Gruppen von Großkäufern, Spekulanten und Immobilienhändlern. Hemmungen, ehemals geistliches Gut zu erwerben, zeigten die Rheinländer vor rund 200 Jahren übrigens nicht. Die Bauern waren zwar von Feudalabgaben befreit worden, hatten aber auch Nachteile zu erwarten, sofern sie Pächter geblieben waren. Die Pachtsummen wurden in schlechten Jahren von den nun weltlichen Besitzern nicht mehr gemindert, wie es zuvor die geistlichen Inhaber oft taten. Mit dem Erlös der Enteignungen und später auch der Versteigerungen konnte Frankreich seine Schulden tilgen und Napoleon seine Kriege finanzieren.
Die französische Säkularisationspraxis wirkte sich auch auf das Heilige Römische Reich Deutscher Nation aus. Rechts des Rheins wurde der Klerus nach dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 ebenfalls säkularisiert und viele reichsunmittelbaren Kleinstaaten mediatisiert. Insgesamt wurden 112 Reichsstände aufgehoben. Aus dieser Masse erhielten die größeren deutschen Staaten Entschädigungen für ihre Verluste im Linksrheinischen.