Landschaftsverband Rheinland - Qualität für Menschen

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Alliierte Besatzung und „Trizonesien" (1945-1949)

Entnazifizierung

Die Reorganisation von Politik und Verwaltung an Rhein und Ruhr stand im Schatten der Erblast des Nationalsozialismus. Schon vor der Potsdamer Konferenz vom Sommer 1945 versuchten Briten und Amerikaner im Rheinland wichtiger Funktionäre des Hitlerregimes und seiner Stützen in Wirtschaft und Gesellschaft zu erfassen. Es kam zu Verhaftungen, wobei die Briten jedoch gemäßigter vorgingen. Erst 1946 entwickelte sich die „Entnazifizierung“ zu einem geordneten Verfahren.
Die Siegermächte vollzogen die "Entnazifizierung" als eine Kombination aus juristischer Strafverfolgung, politischer Säuberung und ideologischer Umerziehung. Trotz des gemeinsam gefassten Kontrollratsgesetzes Nr. 24 vom 12. Januar 1946 über die "Entfernung von Nationalsozialisten und Personen, die den Zielen der Alliierten feindselig gegenüberstehen, aus Ämtern und verantwortlichen Stellungen" gingen sie nicht einheitlich vor. Im Rheinland und in Westfalen gaben Briten und Amerikaner schon kurz nach ihrem Einmarsch erste Fragebögen heraus, auf deren Grundlage die Militärbehörden über die Verwendungsfähigkeit der Befragten für bestimmte Ämter, Berufe oder Dienststellungen entschieden. Die später auf 133 Fragen u. a. zu Leben, Beruf und politischer Vergangenheit erweiterten Fragebögen wurden insbesondere Angehörigen des öffentlichen Dienstes und Personen in Führungspositionen der freien Wirtschaft vorgelegt, während in Handwerk, Landwirtschaft und Einzelhandel ganze Berufsgruppen außer Acht blieben.

Seite 1 eines Entnazifizierungsbogen

Ab Frühjahr 1946 entstanden im künftigen Land Nordrhein-Westfalen in allen Stadt- und Landkreisen und bei den Regierungspräsidien deutsche "Entnazifizierungsausschüsse", wobei den Kirchen eigene Kommissionen zugebilligt wurden. Anfangs durften diese Gremien nur Empfehlungen an die seit Juli 1945 allein zuständige britische Militärregierung richten, die dann über die Überprüften entschied. Ein Jahr später wurde die Beurteilungspraxis differenzierter. Fortan wurde zwischen "Hauptschuldigen"/"Verbrechern", "Belasteten"/"Aktivisten", "Minderbelasteten", "Mitläufern" und "Entlasteten" unterschieden, wobei sich die Briten die Kompetenz für die ersten beiden Kategorien vorbehielten. Für jede Kategorie sah das System Strafen vor, z. B. Arbeitslager, Vermögensentzug, Geldbuße, Berufsverbot, berufliche Rückstufung, Wahlrechtsverbot oder Beschränkung der Freizügigkeit. In Nordrhein-Westfalen wurden ca. 800.000 Personen, also etwa 10% der Bevölkerung über 18 Jahre, überprüft. Rund 75% wurden als „Entlastete" eingestuft, etwa 20% als „Mitläufer" und ungefähr 4% als "Minderbelastete". Nur 1-2% fielen in die Kategorien "Hauptschuldige"/„Verbrecher" oder "Belastete"/"Aktivisten".

Noch während erste Überprüfungen liefen, zwang die desolate Lage ihrer Zone die britische Militärregierung zur Hinzuziehung deutscher Fachleute. Schrittweise gewährte sie diesen Beratern mehr Kompetenzen, bis sie im August 1946 die erste Zivilregierung des Landes Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf ernannte. Sichtbarster Beleg für den wachsenden Einfluss der deutschen Sachverständigen auf Briten, Amerikaner und Franzosen war die Währungsreform vom Juni 1948, die unter Mitarbeit deutscher Ökonomen die "D-Mark" als neues Zahlungsmittel in den drei westlichen Besatzungszonen und Sektoren Berlins einführte.

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